Zu diesem Thema diskutierten während des „Konsumklima Summit“ Expert:innen aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft auf Einladung des Nürnberger Instituts für Marktentscheidungen (NIM) in Berlin.
Warum ist die Stimmung so schlecht?
Im Jahr 2023 belief sich das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland auf ca. 4,19 Billionen Euro. Die privaten Ausgaben betrugen im gleichen Jahr rund 2,21 Billionen Euro. Konsum hat daher eine zentrale Bedeutung für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung. Doch wie steht es um das Kaufverhalten in Deutschland? Warum bleibt die Stimmung trotz steigendem Realeinkommen getrübt? Und welche Politik braucht es für einen Aufschwung? Auf diese Themen konzentrierten sich die Keynotes von Rolf Bürkl, Konsumklima-Experte beim NIM und von Professor Dr. Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). In der anschließenden Expertenrunde disktutierten Christoph Werner, Vorsitzender der Geschäftsführung, dm-drogerie markt, Godo Röben, Beirat Rewe und ehemaliger Co-Geschäftsführer Rügenwalder Mühle, und Peter Altmaier, ehemaliger Bundesminister für Wirtschaft und Energie, über die Gründe und mögliche Lösungen.
Privater Konsum als Anker
Privater Konsum sei der Anker der wirtschaftlichen Entwicklung, betonte Fratzscher in seinem Vortrag. Über die Hälfte der deutschen Wirtschaftsleistung beruhe auf privatem Konsum. Dieser wirke als stabilisierender Faktor gegenüber volatilen Exporten und Unternehmensinvestitionen. „Ein stabiles Konsumverhalten ist auch essenziell für die wirtschaftliche Erholung und für Steuereinnahmen“, so der DIW-Präsident. Zugleich konstatierte Fratzscher, dass die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands drei zentrale Transformationen erfordere: Die Neuausrichtung der Globalisierung mit resilienteren und diversifizierten Lieferketten, die technologische Umstellung auf grüne Technologien und auf Digitalisierung sowie die soziale Transformation zur Akzeptanz notwendiger Veränderungen. Insgesamt gäbe es jedoch Anlass zum Optimismus: Deutschlands auf Langfristigkeit orientierte Wirtschaftsstruktur, ein starker Rechtsstaat, sozialer Zusammenhalt sowie anpassungsfähige mittelständische Unternehmen bilden die Basis für eine erfolgreiche Bewältigung der Herausforderungen.
Unsicherheit über die Zukunft
Das Konsumklima komme auch zum Jahresende 2024 nicht aus dem Keller, in dem es seit 2022 verharrt. Die aktuelle Konsumzurückhaltung werde von Faktoren wie Unsicherheit über die wirtschaftliche Zukunft, sinkende Einkommenserwartungen und der von den Bürgern wahrgenommenen Inflation geprägt, betonte Rolf Bürkl in seiner Keynote. Die in der Bevölkerung wahrgenommene Inflation, die häufig deutlich höher ist als die gemessene Inflation, müsse als Treiber für Konsumverzicht ernst genommen werden. Um die Konsumneigung zu steigern und die gesamtwirtschaftliche Entwicklung zu stärken, mahnte der Experte des NIM insbesondere Planungssicherheit durch verlässliche politische Entscheidungen an. „Externe Krisen wie der Ukrainekrieg sollten nicht durch hausgemachte Krisen verstärkt werden“, so Bürkl in seiner Keynote. Bürkl betonte, dass der Konsument der letzte und mächtigste Entscheider darüber sei, was am Markt Erfolg hat und was nicht. Die Politik müsse die Stimme und Stimmung der Verbraucher daher deutlich ernster nehmen. Denn die subjektive Wahrnehmung der Konsumenten sei in vielen Fällen entscheidender als „objektive“ Daten zur Wirtschaftslage. „Unser Ziel muss es sein, dass die Deutschen wieder mehr Optimismus wagen und leben“, so Bürkl.
Klare Politik ist gefragt
In der anschließenden Diskussionsrunde wurden die Erkenntnisse aus Wissenschaft und Forschung durch Perspektiven aus Handel und Politik ergänzt. Der ehemalige Bundesminister Peter Altmaier diagnostizierte, dass Angst und Unsicherheit zu Sparverhalten führen und damit den Konsum schwächen. Um Vertrauen und Planungssicherheit wiederherzustellen, brauche es daher eine klare Politik mit langfristigen Plänen. Politisch geprägte Preissteigerungen, wie beispielsweise durch die CO2-Bepreisung, müsse durch klare Kommunikation der Ziele sowie Entlastungsmaßnahmen begleitet werden, um den privaten Konsum nicht zu bremsen. Christoph Werner, Vorsitzender der Geschäftsführung von dm-drogerie markt, betonte, dass es seinem Unternehmen gelungen sei, die Preiserhöhungen nicht an die Kunden weiterzugeben. Dies konnte, so Werner, durch intelligente Sortimentsgestaltung und Optimierung interner Prozesse erreicht werden.
Markenhersteller müssen Mehrwert liefern
Gleichzeitig berichtete der Handelsexperte über Veränderungen im Konsumverhalten: Viele Produkte und Einzelhandelsformate hätten sich von den Bedürfnissen der Konsumenten entfernt. Der Fokus müsse daher künftig wieder stärker auf relevanten Angeboten liegen. Godo Röben, Beiratsmitglied bei Rewe und ehemaliger Co-Geschäftsführer der Rügenwalder Mühle, stellte fest, dass Konsumenten verstärkt zu Handelsmarken und günstigen Produkten greifen. Markenhersteller müssen – beispielsweise durch Produkte ohne Zusatzstoffe – deutlichen Mehrwert bieten, um die Kaufbereitschaft der Kunden zu gewinnen. Vegane und vegetarische Produkte werden dabei zunehmend attraktiver, da ökologische und ökonomische Vorteile stärker zusammenwachsen. In einem Statement zum Abschluss der Expertenrunde unterstrich Manfred Scheske, Ehrenpräsident des NIM und Mitglied des Aufsichtsrats von Nielsen-IQ, die Bedeutung des Dienstleistungsgedankens im Umgang mit Kunden und Bürgern. Seiner Ansicht nach sollten Unternehmen und der Staat wieder lernen, den Menschen zu dienen.
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