Die deutsche Wirtschaft zeigt sich in Sachen Digitalisierung selbstkritisch. 82 Prozent der Unternehmen sind der Meinung, die aktuelle Krise der deutschen Wirtschaft sei auch eine Krise zögerlicher Digitalisierung. 73 Prozent sagen, durch zu langsame Digitalisierung habe die deutsche Wirtschaft Marktanteile verloren, und 78 Prozent befürchten, ohne Digitalisierung werde Deutschland wirtschaftlich absteigen. Zugleich gibt erstmals eine Mehrheit (53 Prozent) an, Probleme bei der Bewältigung der Digitalisierung zu haben. Vor einem Jahr waren es noch 48 Prozent, 2023 erst 39 Prozent und 2022 sogar nur 34 Prozent. Das sind Ergebnisse einer Befragung von Unternehmen in Deutschland im Auftrag des Digitalverbands Bitkom.
„Die Unternehmen haben die Zeichen der Zeit erkannt, sehen die Bedeutung der Digitalisierung und wollen mehr investieren – trotz schwieriger Konjunktur“, sagt Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst. „Jetzt ist die deutsche und europäische Politik gefordert. Sie muss das viel zu enge Regulierungskorsett lockern und dafür sorgen, dass die nötigen Investitionen wirklich fließen. Wir brauchen einen grundsätzlichen Kurswechsel bei der Digitalpolitik. Auch in der Digitalisierung muss es jetzt heißen: All in!“
Deutschlands Unternehmen tun sich demnach schwer damit, digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln. Zwar gibt knapp die Hälfte an, dass sich aufgrund der Digitalisierung ihr Geschäftsmodell verändert. Aber nur drei Prozent fällt die Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle leicht, 23 Prozent hingegen schwer – und 31 Prozent entwickeln überhaupt keine digitalen Geschäftsmodelle.
Aktuell machen nur sieben Prozent mindestens die Hälfte ihrer Umsätze mit digitalen Produkten und Dienstleistungen – und dieser Anteil wird in den kommenden fünf Jahren den Erwartungen zufolge nicht steigen. Einen Anteil von 30 bis 50 Prozent am Gesamtumsatz haben Digitalumsätze derzeit bei jedem fünften Unternehmen. Auch hier ändert sich das Bild nicht, wenn man nach den Erwartungen in fünf Jahren fragt. Etwas anders sieht es am unteren Ende der Skala aus. Haben heute 13 Prozent der Unternehmen keine Digitalumsätze, so rechnen in fünf Jahren nur noch vier Prozent damit.
Eine Reihe digitaler Technologien ist inzwischen in den Unternehmen jedoch angekommen oder steht kurz vor der Einführung. So nutzen 44 Prozent bereits Big Data, fast genauso viele Unternehmen sind in der Planungs- oder Diskussionsphase. Das Internet of Things (IoT) kommt in 37 Prozent der Unternehmen zum Einsatz, 45 Prozent denken darüber nach. Auf Künstliche Intelligenz setzen inzwischen 17 Prozent, 40 Prozent sind in der Planungs- oder Diskussionsphase. Kaum bis gar nicht verbreitet sind die Blockchain-Technologie, das Metaverse sowie Quantencomputing.
„Wir müssen digitale Technologien schneller in die Anwendung bringen. Eine Schlüsseltechnologie wie Künstliche Intelligenz hat enormes Potenzial und verändert die Wettbewerbssituation ganzer Branchen – loslegen, ausprobieren und machen sollte unser Ansatz sein“, erklärt Wintergerst.
Die teilweise geringe Nutzung digitaler Technologien fällt gegenüber ihrer Bedeutung für die künftige Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen deutlich ab, so Wintergerst: „Weniger als jedes fünfte Unternehmen, das KI eine große Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit zumisst, setzt selbst auch KI ein. Wir brauchen jetzt eine Investitionsoffensive für Digitalisierung und KI in der deutschen Wirtschaft.“
Trotz andauernder Rezession wollen viele Unternehmen im laufenden Jahr in ihre digitale Transformation investieren. Jedes zehnte will deutlich mehr, jedes fünfte eher mehr für Digitalisierung ausgeben als noch im Vorjahr. Umgekehrt wollen nur sieben Prozent deutlich weniger investieren und 18 Prozent etwas weniger. Der größte Teil (42 Prozent) will seine Digitalisierungsinvestitionen konstant halten.
Fragt man, was die Digitalisierung besonders stark hemmt, werden drei Ursachen heute deutlich häufiger genannt als in der Vergangenheit: Datenschutz mit 88 Prozent, fehlende marktfähige Lösungen mit 48 Prozent sowie mangelnde Risikobereitschaft im Unternehmen mit 43 Prozent.
„Datenschutz hat sich in Deutschland zum Digitalisierungshemmnis Nummer eins entwickelt. Datenschutz ist und bleibt wichtig, aber auch im Datenschutz gibt es einen Kipppunkt, wo er mehr schadet als nutzt“, so Wintergerst. Hierfür brauche es eine Neujustierung der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) und mehr Pragmatik in ihrer Umsetzung.
Konkrete Hilfe bei der Digitalisierung will der Hightech-Verband am 19. und 20. März mit der „Transform“ liefern. Die Veranstaltung zeigt auf drei Bühnen digitale Erfolgsbeispiele aus der Wirtschaft und bietet praxisnahe Workshops und den direkten Austausch mit Anbietern digitaler Lösungen. An zwei Tagen werden mehr als 200 Stunden Programm geboten, hinzu kommen Praxis-Workshops, Networking-Möglichkeiten sowie die Gelegenheit, auf der Expo und in der Start-up-Area neueste digitale Technologien auszuprobieren.
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